Longevity

Longevity

In einer Zeit, in der die Lebenserwartung weltweit steigt, wächst auch das Interesse an Langlebigkeit („Longevity“) im Sinne des Bestrebens, das Leben nicht nur zu verlängern, sondern auch möglichst lange gesund und vital zu bleiben. Dieser Artikel gibt eine Einführung in das Thema Langlebigkeit, erläutert die zentralen Aspekte des Alterungsprozesses und stellt aktuelle Methoden vor, um das biologische Alter zu bestimmen.

Was ist Langlebigkeit?

Definition und Relevanz
Langlebigkeit bezeichnet die Fähigkeit, ein hohes Lebensalter bei vergleichsweise guter Gesundheit zu erreichen. Dabei geht es weniger um das bloße Hinzufügen von Jahren, sondern vielmehr um die Erhaltung von körperlicher und geistiger Fitness bis ins möglichst hohe Alter. Immer häufiger ist die Rede von der „Health Span“ anstelle der „Life Span“: Die Lebensdauer (Life Span) beschreibt, wie viele Jahre ein Mensch insgesamt lebt, während der Gesundheitszeitraum (Health Span) die Anzahl der Jahre definiert, in denen ein Mensch gesund und aktiv bleibt. Health Span und Life Span sind zwar eng miteinander verknüpft, doch aktuelle Daten legen nahe, dass die Kluft zwischen beiden größer wird8. Dies lässt sich vermutlich darauf zurückführen, dass die moderne Medizin Menschen mit Krebs oder ähnlichen Erkrankungen trotz erheblich eingeschränkter Lebensqualität am Leben erhalten kann. Allerdings ist der Begriff „Health Span“ schwierig eindeutig zu definieren. In der Regel versteht man darunter jene Lebensphase, in der eine Person gesund bleibt - bis zur Diagnose der ersten chronischen Erkrankung.

Chronologisches vs. biologisches Alter
Hinter dem Konzept der Langlebigkeit verbirgt sich die wichtige Unterscheidung zwischen dem chronologischen Alter (die Anzahl der Jahre seit der Geburt) und dem biologischen Alter, das sich auf die körperliche Gesundheit und den Gesamtzustand unserer Zellen und Organe bezieht. Menschen mit gesundem Lebensstil können beispielsweise mit 50 Jahren biologisch jünger als 40-Jährige mit einem ungesunden Lebensstil sein. Dieser Unterschied lässt sich messen, beispielsweise durch spezifische Blutmarker, bildgebende Verfahren, Biopsien, Telomerlänge, epigenetische Veränderungen etc. Dadurch erhält man ein recht gutes Bild vom individuellen Gesundheitszustand und möglichen Ansatzpunkten für gezielte Maßnahmen zur Förderung der Langlebigkeit.

Was ist Altern und warum altern wir?

Die „Hallmarks of Aging“

Bild 1: Die Grafik fasst die in dieser Arbeit beschriebenen 12 Merkmale des Alterns zusammen.

Ein bekannter Ansatz, um das Altern umfassend zu verstehen, sind die sogenannten „Hallmarks of Aging“, also die „Merkmale des Alterns“. Diese wurden erstmals 2013 in einem wissenschaftlichen Übersichtsartikel von López-Otín et al. 1 beschrieben und gelten seitdem als zentrale Orientierungspunkte in der Forschung zum Altern. Diese umfassen:

  1. Genomische Instabilität
    Mit steigendem Alter häufen sich Mutationen in unserem Erbgut (Genom), die zu Funktionsstörungen führen können.
  2. Telomerverkürzung
    Telomere sind die Endstücke unserer Chromosomen und dienen als Schutzkappen für die DNA. Mit jeder Zellteilung werden diese Endstücke jedoch schrittweise kürzer. Erreichen sie eine kritische Länge, werden die Chromosenenden instabi und die Zelle kann sich normalerweise nicht mehr teilen und gerät in einen Zustand der Seneszenz. In diesem Zustand ist die Zelle zwar noch metabolisch aktiv, allerdings verliert sie einige ihrer Funktionen und kann stattdessen Entzündungsreaktionen auslösen.
  3. Epigenetische Veränderungen
    Veränderungen im Methylierungsmuster der DNA (Die DNA hat überall Methylgruppen - eine simple Anordnungen von Atomen in der organischen Chemie, bestehend aus einem Kohlenstoffatom und 3 Wasserstoffatomen - angehängt, welche die einzelnen Gene regulieren) oder den Histon-Proteinen (Verpackung der DNA, auch an der Genexpression beteiligt) können die Genaktivität beeinflussen und verändern und somit das Altern beschleunigen.
  4. Verlust der Proteostase
    Proteostase bezeichnet alle Prozesse, welche zum Gleichgewicht von Proteinen und deren Funktion in einer Zelle führen. Dazu gehört das Herstellen, Falten, Transportieren und Abbauen/Entsorgen von Proteinen. Mit zunehmendem Alter wird dieser Prozess fehleranfälliger.
  5. Deregulierte Zellantwort auf Nährstoffe
    Viele Signalwege, welche durch Nähstoffe ausgelöst werden, sind wichtig für die Steuerung der zellulären Aktivität wie zum Beispiel Zellwachstum, Energiestoffwechsel und Autophagie (Entsorgungssystem einer Zelle). Eine Fehlregulation dieser Signalwege kann zu altersbedingten Erkrankungen beitragen.
  6. Mitochondriale Fehlfunktion
    Mitochondrien sind für die Energieversorgung der Zellen verantwortlich. Sie sind also die „Kraftwerke“ unserer Zellen. Altersbedingte Schäden an den Mitochondrien führen zu Leistungsabfall und vermehrter Bildung freier Radikale. Der durch die vermehrte Bildung freier Radikale ausgelöste oxidative Stress wiederum führt zu vermehrter Zellschädigung.
  7. Zelluläre Seneszenz
    Zelluläre Seneszenz bezeichnet einen Zustand, in dem sich Zellen dauerhaft nicht mehr teilen können, obwohl sie weiterhin aktiv bleiben. Dabei verändern seneszente Zellen ihre Stoffwechselaktivität und können unter anderem unerwünschte Entzündungsfaktoren freisetzen, welche sowohl an Alterungsprozessen als auch an der Entstehung diverser chronisch-degenerativer Krankheiten beteiligt sind.
  8. Erschöpfung der Stammzellen
    Stammzellen sorgen für die Regeneration von geschädigten Geweben. Mit dem Alter nimmt jedoch ihre Anzahl und Teilungsfähigkeit und damit ihre geweberegenerierende Wirkung ab.
  9. Veränderte interzelluläre Kommunikation
    Mit zunehmendem Alter verändert sich die Kommunikation zwischen den Zellen und kann aus dem Gleichgewicht geraten. Dieser gestörte Informationsaustausch führt zu Fehlinterpretationen von Signalen und kann zum Beispiel chronische entzündliche Prozesse und weitere pathologische Vorgänge auslösen.

Seit der Erstveröffentlichung ihrer Übersichtsartikel hat das Team um den Biochemiker López-Otín deren Liste noch weiterentwickelt und um 3 neue Hallmarks ergänzt2. Diese neuen Aspekte sind im Grunde keine komplett neuen Phänomene, sondern sie wurden bislang eher als Unterkategorien oder Teilschritte innerhalb bisheriger Hallmarks betrachtet, werden jedoch mittlerweile aufgrund ihrer Bedeutung als eigenständige Hallmarks of Aging geführt:

  1. Gestörte (bzw. eingeschränkte) Autophagie
    Früher fiel Autophagie meist unter den Punkt „Verlust der Proteostase“. Autophagie bezeichnet das Abbauen und Verwerten von Bestandteilen von Zellen. In der neuen Übersicht wird ihr nun mehr Gewicht beigemessen, da wir heute genauer verstehen, wie wichtig ein funktionierendes Recycling-System im Körper für das Altern ist.

  2. Chronische Entzündung
    Bereits in der ersten Version von 2013 wurde Entzündung im Zusammenhang mit der veränderten interzellulären Kommunikation und der zellulären Seneszenz diskutiert. Inzwischen weiß man, dass die allmähliche Zunahme niedriger, chronischer Entzündungsprozesse („chronic inflammation“) ein so zentrales Element in fast allen Altersprozessen ist, dass es nun als eigenständiges Hallmark definiert wurde.

  3. Dysbiose (Veränderungen des Mikrobioms)
    Dass die Mikroorganismen des menschlichen Organismus und unter ihnen die Darmbakterien des Mikrobioms im besonderen Maße eine essenzielle Rolle für den Stoffwechsel und das Immunsystem spielen, ist seit einigen Jahren ein großes Thema in der Forschung. In den letzten Jahren hat sich gezeigt, dass es im Alterungsprozess zu Störung der physiologischen Besiedelung des Darm-Mikrobioms („Dysbiose“) kommt, wie zum Beispiel die Abnahme nützlicher Bakterienstämme. Dies kann wiederum Entzündungen und zahlreiche altersbedingte Krankheiten begünstigen, weshalb die Dysbiose nun als eigenes Hallmark of Aging geführt wird.


Wie sich die einzelnen Hallmarks of Aging gegenseitig beeinflussen ist sehr komplex und ob gewisse Hallmarks existieren, welche anderen Hallmarks übergeordnet sind oder diese begünstigen, ist zurzeit noch nicht abschließend zu beantworten. Es existiert allerdings die Theorie, dass nicht alle Hallmarks of Aging auf derselben hierarchischen Ebene angesiedelt sind. Vielmehr könnte es ein oder ein paar zentrale Haupt-Hallmarks geben, die wiederum die anderen bedingen oder zumindest stark beeinflussen. Als Beispiel wären die epigenetischen Veränderungen: Wenn der genetische Code unserer Zellen nicht mehr korrekt reguliert wird, könnten in der Folge viele andere Bereiche des Alterungsprozesses - etwa genomische Instabilität, gestörte Proteostase oder mitochondriale Fehlfunktion - verstärkt auftreten. Dieser Ansatz wird zum Beispiel auch in der Arbeit des Teams von López-Otín zu den Hallmarks of Aging erwähnt. Es wird beispielsweise auch darauf hingewiesen, wie eng die Epigenetik mit anderen Mechanismen verknüpft ist. Diese starke Vernetzung untermauert die Vermutung, dass die Epigenetik möglicherweise eine zentrale Rolle im Alterungsprozess spielt und viele andere Hallmarks of Aging steuert oder zumindest zum Teil reguliert. Außerdem gibt es noch weitere Indizien, die für eine übergeordnete Rolle der Epigenetik sprechen. Diese wären:

Multifaktorielle Vernetzung: Epigenetische Veränderungen können nahezu alle zellulären Prozesse beeinflussen - von DNA-Reparatur und Proteinstabilität bis hin zur mitochondrialen Funktion.

Systemische Wirkung: Wenn das Epigenom in einem Organismus großflächig durcheinandergerät, hat das systemische Auswirkungen (z. B. Entzündungen, Stoffwechselprobleme), die wiederum die anderen Hallmarks verstärken können.

Reprogrammierung: Tiermodelle konnten zeigen, dass mit Hilfe von epigenetischer Reprogrammierung durch bestimmte Faktoren (sogenannte ‚Yamanaka Faktoren‘) zumindest einige Alterserscheinungen rückgängig gemacht werden können3. Außerdem kann man zum Beispiel fertig ausgereifte Zellen mithilfe dieser epigenetischen Veränderungen wieder zu pluripotenten Stammzellen zurückverwandeln. Das deutet darauf hin, dass der epigenetische Zustand einer Zelle ein zentrales Element sein könnte.

Viele Studien sprechen zwar dafür, dass epigenetische Veränderungen ganz oben in der Hierarchie der Hallmarks stehen, aber die meisten Forscher in diesem Themengebiet gehen davon aus, dass wir es bei Alterungsprozessen mit einem komplexen Netzwerk zu tun haben, in dem sich die Hallmarks wechselseitig bedingen und verstärken. Nichtsdestotrotz ist die Epigenetik derzeit einer der stärksten Kandidaten für einen übergeordneten Mechanismus, der viele andere altersbedingte Krankheiten und Fehlfunktionen initiieren und beeinflussen kann.

Viele der führenden Todesursachen stehen darüber hinaus in engem Zusammenhang mit den Hallmarks of Aging. So stehen beispielsweise koronare Herzkrankheiten (eine der weltweit häufigsten Todesursachen) in engem Zusammenhang mit genomischer Instabilität, zellulärer Seneszenz und chronischer Entzündung. Bei Krebserkrankungen wiederum spielen vor allem genomische Instabilität, epigenetische Veränderungen und eine gestörte Autophagie eine zentrale Rolle. Diese Faktoren tragen maßgeblich zur Entstehung und dem Voranschreiten dieser Erkrankungen bei und sind auch wesentlich am Alterungsprozess beteiligt.

Wie messen wir das Altern?

Die Medizin verfügt bereits über eine Reihe von etablierten Standards, um den Gesundheitszustand und damit indirekt auch das biologische Alter eines Menschen zu erfassen. Diese Methoden sind in der Regel breit erprobt und gelten als zuverlässig, wenn es darum geht, Aussagen über den körperlichen Alterszustand zu treffen. Dennoch sind sie stets nur Puzzleteile innerhalb einer umfassenden Diagnostik.

Beispiele von etablierten Verfahren in der medizinischen Diagnostik

  1. Blutmarker, als Beispiel:
    • Metabolische Parameter (z. B. Blutzucker, Lipidprofile): Werte wie der Nüchternblutzucker und der Langzeitblutzucker (HbA1c) oder das Cholesterinprofil (ApoB, Lp(a), LDL-C, LDL-P,  etc.) geben Hinweise auf die Stoffwechselgesundheit bzw. das Risiko für chronisch-degenerative Krankheiten wie Diabetes mellitus Typ II oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen.
    • Entzündungswerte (z.B. hsCRP, IL-6): Hohe Entzündungsmarker können auf chronische Entzündungen hindeuten, die mit dem Auftreten und Voranschreiten zahlreicher altersbedingten Erkrankungen assoziiert sind.
    • Organspezifische Marker: Unterschiedliche Parameter geben Hinweise auf die Funktion diverser Organe, zum Beispiel Transaminasen für die Leber und eGFR (Cystatin C) für die Nieren.
    • Hormonstatus (z.B. Schilddrüsenhormone, Geschlechtshormone etc.): Hormone haben einfach starken Einfluss auf das gesamte System und eine Dysbalance kann mit Erkrankungen assoziiert sein.

  2. Funktionale physiologische Performance Tests
    • Kraft- und Ausdauertests: Die Muskelkraft (z.B. Griffkraft) und die kardiovaskuläre Fitness (z.B. VO₂max) sind starke Indikatoren für den körperlichen Zustand und das biologische Alter.
    • Kognitive Leistungstests: Gedächtnis- und Konzentrationstests helfen, den geistigen Fitnesszustand zu beurteilen.
    • Untersuchung der Lungenfunktion: Messungen wie die Vitalkapazität oder das forcierte Exspirationsvolumen (Volumen bei Ausatmung) werden häufig genutzt, um die respiratorische Gesundheit (Gesundheit der Atmung) zu überprüfen.

  3. Bildgebende Verfahren
    • Computertomographie (CT) und Magnetresonanztomographie (MRT): Mit diesen Verfahren lassen sich Organstrukturen und Gewebeveränderungen genau untersuchen. So kann man beispielsweise das Ausmaß einer Fettleber oder strukturelle Veränderungen im Gehirn beurteilen.
    • Messung der Koronararterien (Coronary Artery Calcium - CAC - Score): Nutzt eine CT-Bildgebung, um Verkalkungen in den Koronararterien zu quantifizieren. Diese Verkalkungen sind ein wichtiger Indikator für das kardiovaskuläre Risiko und spielen eine entscheidende Rolle bei der Einschätzung des Gefäßalters.
    • Knochendichte, Fett- und Muskelverteilung: Der DXA-Scan zeigt an, wie stabil das Skelett ist und inwieweit etwa Osteoporose und damit ein erhöhtes Risiko für Knochenbrüche und daraus resultierende Erkrankungen vorliegt. Außerdem sieht man die Verteilung von Fett und Muskeln im Körper.

    Es existieren noch weitere neuartige Methoden, welche zusätzlich zu diesen gut etablierten Standards verwendet werden können. Diese fokussieren sich spezifisch auf die Messung des biologischen Alters:

     

  4. Genetische und Epigenetische Biomarker
    • Telomerlänge: Telomere sind die Endkappen unserer Chromosomen. Eine verkürzte Telomerlänge wird häufig mit beschleunigter Alterung in Verbindung gebracht, weswegen diese Messung - trotz gewisser Schwankungen in der Aussagekraft - in der Forschung und teilweise auch in Diagnostikansätzen genutzt wird.
    • Epigenetische Uhren: Diese Uhren messen Veränderungen in der DNA-Methylierung, die mit dem Alter. Oft geben sie jedoch Hinweise auf die individuelle Gesundheit. Dieses Feld entwickelt sich rasant und ist derzeit ein zentraler Schwerpunkt in der Alternsforschung.
    • Organ-spezifische Uhren: Durch die Kombination von mehreren Messmethoden und Biomarkern (Epigenetik, Blutmarker) wurden organ-spezifische Uhren entwickelt, welche Einblick in das Alter diverser Organe geben können.

Zusammen gelten diese Verfahren in der Medizin als solide Werkzeuge, um das biologische Alter und den allgemeinen Gesundheitszustand einzuschätzen. Sie ersetzen einander nicht, sondern ergänzen sich gegenseitig, weil sie jeweils andere Facetten der Gesundheit abbilden.


Epigenetische Uhren

Während die zu Beginn genannten, gut etablierten Standards das Grundgerüst für eine umfassende Diagnostik bilden, gewinnen epigenetische Uhren - auch Methylierungsuhren (Methylation Clocks) genannt - zunehmend an Bedeutung als ergänzendes Instrument. Sie messen das biologische Alter eines Organismus, indem sie epigenetische Veränderungen der DNA analysieren.

Epigenetische Grundlagen

Die Epigenetik beschäftigt sich mit Modifikationen an der DNA und den Histon-Proteinen, die nicht die eigentliche Gensequenz verändern, jedoch große Auswirkungen auf die Genaktivität haben. Die DNA-Methylierung ist dabei besonders relevant: Hierbei wird an bestimmten Stellen der DNA eine Methylgruppe (CH₃) angehängt oder entfernt. DNA-Methylierung dient in der Regel als Regulationsmechanismus. Wenn ein Gen methyliert wird, verringert oder unterbindet dies häufig seine Expression, als würde man das Gen „leiser drehen“ oder „abstellen“. Diese Methylierungsmuster sind ein natürlicher Prozess im gesunden Menschen, um die Aktivität von Genen zu steuern. Veränderungen dieser Muster im Alter bewirken jedoch auch Veränderungen in der Genexpression, was dann zu altersbedingten Fehlfunktionen im Körper und Krankheiten führen kann. Typischerweise betrifft die Methylierung der DNA die sogenannten CpG-Stellen (Cytosin (C) gefolgt von Guanin (G), verbunden durch eine Phosphatgruppe (p)). Dies macht diese Stellen in der DNA besonders wichtig für epigenetische Prozesse.

Bild 2: Schematische Darstellung von epigenetischen Veränderungen an Histonen und der DNA

Man kann mit fortschreitendem Alter an bestimmten CpG-Stellen Methylgruppen verlieren, die in jungen Jahren stark methyliert waren, während man an anderen CpG-Stellen Methylierung hinzugewinnt, die in jungen Jahren noch nicht gegeben waren4-6. Dadurch verschiebt sich das Epigenom (Epigenetic Drift7) im Laufe des Alters, und diese Verschiebungen können relativ zuverlässig gemessen werden.

Zu den auffälligsten Phänomenen gehören:

  • Globale Hypomethylierung: Über große Bereiche des Genoms nimmt der Methylierungsgrad im Alter durchschnittlich ab, was zu einer gewissen Instabilität führen kann.
  • Lokale Hypermethylierung: Gleichzeitig sind einzelne Genabschnitte im Alter stärker methyliert als in jüngeren Jahren (Die Genaktivität nimmt also ab) - besonders Gene, die wichtige Funktionen in der Zellzyklusregulation oder Tumorsuppression haben.

Funktionsweise epigenetischer Uhren

Epigenetische Uhren analysieren nicht die Gesamtmenge der Methylgruppen an der DNA, sondern bestimmte, alterssensitive CpG-Stellen. Diese Vorgehensweise lässt sich in drei Schritte unterteilen:

  1. Auswahl relevanter CpG-Stellen
    Forschende untersuchten tausende bis hunderttausende CpG-Sequenzen im Genom, um diejenigen Stellen zu identifizieren, die sich besonders verlässlich mit dem Alter verändern.
  2. Aufbau eines Vorhersagemodells
    Anhand statistischer oder maschineller Lernverfahren wird ein Modell trainiert, das den Zusammenhang zwischen dem Methylierungsstatus an diesen Schlüsselstellen und dem tatsächlichen Alter herstellt.
  3. Berechnung des epigenetischen Alters
    Anschließend wird bei einer neuen Probe das Methylierungsmuster genau an diesen definierten CpG-Stellen gemessen. Das Modell gibt ein epigenetisches Alter aus, das oft eng mit dem chronologischen Alter übereinstimmt. Liegt es deutlich über dem tatsächlichen Alter, kann dies auf beschleunigte Alterungsprozesse und einen ungesunden Lebensstil hindeuten; liegt es deutlich darunter, kann es ein Hinweis auf verlangsamtes Altern und einen gesunden Lebensstil sein.

Beispiele für epigenetische Uhren

  • Hannum-Uhr
    Entwickelt von Gregory Hannum und seinem Team. Analysiert Methylierungsmuster im Blut und korreliert diese mit verschiedenen Gesundheitsindikatoren.
  • Horvath-Uhr
    Steve Horvath (UCLA) erstellte eines der bekanntesten Modelle, das mehrere hundert CpG-Stellen im Erbgut abdeckt und für verschiedene Gewebetypen kalibriert wurde.
  • GrimAge-Uhr
    Eine Weiterentwicklung, bei der zusätzlich Faktoren wie Raucherstatus oder andere Blutmarker einbezogen werden. So können gesundheitliche Risiken und eine potenzielle Restlebenserwartung besser eingeschätzt werden.
  • DunedinPACE-Uhr
    Eine Weiterentwicklung der klassischen epigenetischen Uhren (3. Generation), die sich auf die Geschwindigkeit des Alterns konzentriert. Gemeinsam mit den bekannten Methoden von Horvath, Hannum und GrimAge gehört sie inzwischen zu den wichtigsten epigenetischen Messmodellen, um individuelle Alterungsprozesse genauer zu erforschen, Risiken abzuschätzen und potenzielle Interventionen zu validieren.

Epigenetische Uhren sind kein Ersatz für klassische Untersuchungsmethoden, sondern ein zusätzliches Werkzeug, um Alterungsprozesse besser zu verstehen und Veränderungen im Laufe der Zeit sichtbar zu machen. Gerade in der Forschung können sie helfen, den Effekt von Lebensstilinterventionen (z. B. Ernährung, Sport, Nahrungsergänzungsmittel) oder Medikamenten auf das biologische Alter objektiv zu überprüfen.

Obwohl epigenetische Uhren spannende Einblicke in den Alterungsprozess liefern, sollten sie immer im Kontext anderer Gesundheitsmarker und diagnostischer Maßnahmen betrachtet werden. Ein vorausschauender Blick auf mögliche Risiken und Trends kann helfen, frühzeitig gegenzusteuern - jedoch sind diese Uhren nicht in der Lage, das exakte Mortalitätsrisiko oder die exakte Lebenserwartung eines Menschen vorherzusagen. In Kombination mit den an früher erwähnten gut etablierten medizinischen Standards wie die genannten Blutmarker, Performance Tests und bildgebende Verfahren bieten sie jedoch ein zunehmend präzises Gesamtbild, das helfen kann, gezielt an einer besseren Gesundheit und Lebensqualität zu arbeiten.

Ausblick

Die Forschung zu Langlebigkeit hat in den letzten Jahren rasant an Fahrt aufgenommen. Dabei geht es nicht nur um die Frage, wie wir länger leben können, sondern insbesondere darum, wie wir die Lebensqualität erhalten können und Krankheiten des Alters (z. B. Alzheimer, Krebs, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes) hinauszögern oder verhindern können. Immer mehr Start-ups und Forschungsgruppen führen Studien zu neuen Wirkstoffen durch, die möglicherweise die Alterung verlangsamen könnten. Der interdisziplinäre Austausch zwischen Genetik, Molekularbiologie und Medizin mit dem Ziel der Entwicklung individueller Langlebigkeitsstrategien wird in Zukunft weiter zunehmen und ist ein äußerst spannendes Feld.
Innovative Bereiche wie Gene Editing (z. B. CRISPR/Cas), Gen-Therapien und Stammzellentherapien aber auch Medikamentenforschung sind Gegenstand intensiver Untersuchungen um die Hallmarks of Aging zu adressieren.

Gleichzeitig ist das Altern ein vielschichtiger Prozess, der maßgeblich von Lifestyle Faktoren (z.B. Bewegung, Sport, Schlaf, Stressmanagement), Umwelteinflüssen (Toxine, Luftqualität, Mikroplastik etc.) sowie der Ernährung und Supplementierung geprägt wird.

Mit Hopkins Longevity bieten wir eine Produktlinie an laborgeprüften Nährstoffpräparaten, die zum einen auf die unterschiedlichen Hallmarks of Aging abzielt und zum anderen auch die damit verbundenen Biomarker zu verbessern. Das Sortiment orientiert sich an den aktuellsten Forschungsergebnissen auf diesem Gebiet und in unserem Blog gibt es zu jedem der verwendeten Substanzen weiterführende Informationen nachzulesen.

  1. López-Otín, C., Blasco, M. A., Partridge, L., Serrano, M., & Kroemer, G. (2013). The hallmarks of aging. Cell153(6), 1194-1217.
  2. López-Otín, C., Blasco, M. A., Partridge, L., Serrano, M., & Kroemer, G. (2023). Hallmarks of aging: An expanding universe. Cell186(2), 243-278.
  3. Ocampo, A., Reddy, P., Martinez-Redondo, P., Platero-Luengo, A., Hatanaka, F., Hishida, T., ... & Belmonte, J. C. I. (2016). In vivo amelioration of age-associated hallmarks by partial reprogramming. Cell167(7), 1719-1733.
  4. Jones, M. J., Goodman, S. J., & Kobor, M. S. (2015). DNA methylation and healthy human aging. Aging cell14(6), 924-932.
  5. Mulder, R. H., Neumann, A., Cecil, C. A., Walton, E., Houtepen, L. C., Simpkin, A. J., ... & Suderman, M. (2021). Epigenome-wide change and variation in DNA methylation in childhood: trajectories from birth to late adolescence. Human molecular genetics30(1), 119-134.
  6. Fraga, M. F., Ballestar, E., Paz, M. F., Ropero, S., Setien, F., Ballestar, M. L., ... & Esteller, M. (2005). Epigenetic differences arise during the lifetime of monozygotic twins. Proceedings of the National Academy of Sciences102(30), 10604-10609.
  7. Issa, J. P. (2014). Aging and epigenetic drift: a vicious cycle. The Journal of clinical investigation124(1), 24-29.
  8. Garmany, A., & Terzic, A. (2024). Global healthspan-lifespan gaps among 183 World Health Organization member states. JAMA Network Open7(12), e2450241-e2450241.
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